
Nachhaltigkeit ist berechenbar und rechnet sich Chur, 07.01.2025
Karl-Heinz Schönyan erläutert im Interview, wie unser Architekturbüro zukunftsfähige und nachhaltige Immobilien gestaltet.
Wie unterstützen die Verbindung von Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit die Zukunftsfähigkeit von Immobilien? Karl-Heinz Schönyan ist DGNB-Auditor, ESG-Manager Schweiz & RICS Registered Valuer. Seit Januar 2022 ist er bei Ritter Schumacher als Leiter Nachhaltigkeit & Valuation tätig.


Ritter Schumacher setzt sich ein für nachhaltiges Bauen. Muss heute nicht jeder nachhaltig bauen?
Die Schweiz soll bis 2050 unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstossen. Dieses Netto-Null-Ziel hat der Bundesrat bereits 2019 beschlossen. Am 27. Januar 2021 hat er die «Langfristige Klimastrategie der Schweiz» verabschiedet. Diese präsentiert die Leitlinien für die Klimapolitik bis 2050 und definiert strategische Ziele für die verschiedenen Sektoren. Die Strategie knüpft an die Massnahmen und Ziele des revidierten CO2-Gesetzes an. Es ist zur Erreichung des Netto-Null-Ziels von zentraler Bedeutung und führt bis 2030 bereits zu einer Senkung der Treibhausgase um 50 %. Trotz des Gesetzes sind zurzeit die einzelnen Massnahmen im Gebäudesektor bis auf baueingaberelevante Energievorschriften nicht verbindlich. Es ist absehbar, dass diese Verbindlichkeit nur eine Frage der Zeit ist.


Welche Regulierungen bestehen bereits?
National besteht im Energiebereich die Regulierung der MuKEn 2014. Weiter setzen sich die Asset Management Association Switzerland (AMAS) sowie die Bundesratsverordnung 221.434 für eine regulierte Berichterstattung ein. International üben die Task Force für die Berichterstattung klimabezogener Finanzrisiken (TCFD) und die EU-Taxonomie samt der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) einen bedeutenden Einfluss auf die Schweiz aus. Diese Regulierungen folgen der Zielsetzung des Green Deals.
Inwiefern beeinflussen internationale Standards den Schweizer «Nachhaltigkeitsmarkt»?
Der Schweizer Investoren- und Kreditmarkt, welcher die wichtigste Rolle im Transaktionsfall, der Hypothekenvergabe sowie der Vermögensverwaltung von nachhaltigen Immobilien spielt, ist nationalen wie internationalen Standards verpflichtet. Anlagegefässe der Banken, Versicherungen, Fonds, kollektive Kapitalanlagen und Vermögensverwalter sind bereits durch die Finanzmarktaufsicht (FINMA) im Bereich der nicht finanziellen Berichterstattung reguliert.
Geht es dabei in erster Linie um Kreislaufwirtschaft?
Der Kreislaufwirtschaft (EU-Taxonomie: Umweltziel Nr. 4) wird zukünftig ein grosser Stellenwert beigemessen. Grundsätzlich gilt «Wiederverwendung und Verwertung vor Deponierung». Ein schonender Umgang mit unseren Ressourcen und die Stärkung der Kreislaufwirtschaft für Baustoffe müssen eines von vielen Nachhaltigkeitszielen sein. Das Nachhaltigkeitskonzept von Ritter Schumacher ist jedoch bedeutend weiter gefasst und reicht über das bekannte Dreisäulenmodell hinaus. Es betrachtet durchgängig alle wesentlichen Aspekte des nachhaltigen Bauens. Diese umfassen die sechs Themenfelder Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle Aspekte, Technik, Prozesse und Standort. Unser System misst dem wirtschaftlichen und soziokulturellen Aspekt des nachhaltigen Bauens ebenso grosse Bedeutung zu wie dem ökologischen Aspekt (Gleichgewichtsprinzip).

Welche Rolle spielen BIM (Building Information Modeling) und andere digitale Tools in der nachhaltigen Planung, der Qualitätssicherung und Berichterstattung?
Für die Bauherrschaft ist aufgrund der erwähnten Regulierungen eine aussagekräftige Qualitätssicherung sowie eine angemessene Dokumentation von grosser Bedeutung. Es ist daher erforderlich, den Planungs- und Qualitätssicherungsprozess sowie Art und Umfang der Dokumentation nicht nur klar zu regeln, sondern auch den hierfür nötigen Aufwand zu optimieren. Die Qualitätssicherungsaufwände werden der Zukunftsfähigkeit der Immobilie bzw. des Mehrwertes aus Risikominimierung gegenübergestellt. Und gerade hier spielt unser «BIM as-built» eine entscheidende Optimierungsrolle in unserem Zertifizierungsprozess sowie der Berichterstattung.
Ist Nachhaltigkeit messbar und berechenbar? Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für die Wertigkeit einer Immobilie?
Jede professionelle Qualitätssicherungs- und Berichterstattungsmassnahme bedarf einer unternehmerischen Rechtfertigung. Um eine spürbare Wirkung auf das Netto-Null-Ziel zu erreichen, müssen echte Nachhaltigkeitsbestrebungen zum allgemeinen Standard erhoben werden. Dies wiederum setzt einen Business Case voraus, welcher den wirtschaftlichen Aspekt «Marktimpuls» berücksichtigt. Unser Business Case beinhaltet eine Reduktion der Nutzungskosten über die Lebensdauer sowie eine Marktwertsteigerung qualitätsgesicherter und somit risikominimierter Immobilien.
Der Wert einer Immobilie bemisst sich basierend auf ihren prognostizierten Eigenschaften und den zugehörigen Risiken. Können die Eigenschaften optimiert und die Zukunftsrisiken durch einen ganzheitlichen Qualitätssicherungsprozess reduziert werden, werden die Nachfrage nach diesem «Produkt» und damit einhergehend die Wertigkeit gemäss den Gesetzen des Markts gesichert und gesteigert.


Für wen lohnt sich nachhaltiges Bauen?
Echtes qualitätsgesichertes und somit nachhaltiges Bauen lohnt sich über den Lebensweg betrachtet für alle. Insbesondere für institutionelle Anleger, Hypothekargeber und Vermögensverwalter, welche den erwähnten Regulierungen unterstellt sind und vermehrt unterstellt werden, ist die Bedeutung zunehmend.
Übersteigt der Aufwand der Zertifizierung nicht schnell ihren Nutzen?
Im Vergleich mit der Zukunftsfähigkeit einer Immobilie über den Lebensweg ist ein regulierter Qualitätssicherungsaufwand durch eine ganzheitliche Zertifizierung verschwindend klein.
Was hebt Ritter Schumacher von anderen Unternehmen ab?
Wir sind ein Architekturbüro mit breiter Entwicklungskompetenz. Unsere DNA basiert auf dem Ansatz einer integralen Planung, einer in frühster Phase vorausschauenden Nachhaltigkeitsbetreuung und einer parallel verlaufenden ökonomischen Projektwertbegleitung. Unser Bestreben ist es, unserer Kundschaft eine qualitätsgesicherte – also eine zertifizierte und berichterstattete Immobilie - ohne Mehrkosten anbieten zu können.
Werden in Zukunft die Regelungen für nachhaltiges Bauen strenger werden?
Keine Frage: ja.
Das Interview führte die Finanz und Wirtschaft im November 2024.