Im Dialog mit unserem Nachhaltigkeitsteam
Michaela Gaudenz, Architektin CAS FHNW Nachhaltiges Bauen, Karl-Heinz Schönyan, Leiter Nachhaltigkeit & Valuation sowie Christian von Ballmoos, Energie- und Nachhaltigkeitsexperte, bilden unser Kernteam Nachhaltigkeit und stellen sich unseren Fragen.
Was bedeutet eigentlich „ökonomisch zukunftsfähig“?
Karl-Heinz: Eine zukunftsfähige Ökonomie basiert auf einer intakten Ökologie und einer sozial gerechten Gesellschaft. Wir brauchen eine holistische Sicht, die Vereinigung von soziologischen, ökologischen und ökonomischen Komponenten und das Verständnis, dass die ökologischen und sozialen Bedürfnisse durch die Ökonomie gesichert werden.
Insofern schliessen ökologische und ökonomische Interessen einander auch nicht aus, sondern sie ergänzen sich zu einem tragfähigen Ganzen.
Wie lässt sich in die Zukunft investieren?
Christian: Wir glauben an die Zukunft und deshalb investieren wir in die Zukunft.
Wobei «glauben» nicht das richtige Wort ist, denn das bedeutet ja eine Unsicherheit, sondern wir vertrauen in die Zukunft. Und diese Kraft des Vertrauens ist die beste Investition in die Zukunft. Auch für unsere Investor:innen ist das Vertrauen in die Hauptfaktoren des Kapitalmarktes das A und O.
Sind alle Entwicklungen berechenbar?
Karl-Heinz: Nein, es sind wohl kaum alle Entwicklungen berechenbar. Doch durch die Bildung verschiedener Modelle nähern wir uns der Wirklichkeit an. Die Herausforderung dabei ist, dass uns die Parameter der Zukunft oft nur unzureichend bekannt sind. Davon lassen wir uns hier aber nicht demotivieren, sondern wir übernehmen Verantwortung, indem wir die verschiedenen Ursache-Wirkung-Beziehungen simulieren, kategorisieren und Szenarien bilden. Aus dieser Modellbildung und der Berücksichtigung unserer Erfahrungen aus der Vergangenheit und der Gegenwart wollen wir bestmöglich und verantwortungsvoll die Zukunft abbilden.
Wie viel Wachstum ist noch möglich?
Christian: Das ist eine der schwierigsten Fragen und sie bedarf unbedingt der Bilanzgrenzen: sprechen wir jetzt von Wachstum in der Firma, sprechen wir von der Schweiz, sprechen wir von der Welt, sprechen wir sogar vom Universum? Wenn wir ganz basal von Wachstum als Grundprinzip der Natur ausgehen, dann ist uns ein nachhaltiges Wachstum wichtig. Dabei stellen wir uns insbesondere die Frage, welche Technologien sinnvollerweise weiterverbreitet werden können, um global gesehen nachhaltig zu sein. Wir sind ja auch erst am Anfang der Bemühung um Nachhaltigkeit und Zirkularität und wir wissen, dass wir unsere Entwicklung und Verwendung von Technologien in Bezug auf Zielkonflikte auch selbst wiederum kritisch betrachten müssen. Dabei hilft vielleicht auch ein Blick zurück in die Vergangenheit, um die aktuelle Verwendung von Material und die Gestaltung von Prozessen noch einmal neu denken und bewerten zu können.
Welche grundsätzlichen Weichen müssen für die Zukunft gestellt werden?
Karl-Heinz: Wir sind der Überzeugung, dass es eigentlich fast keine Weichen braucht, weil die Weichen durch die gesellschaftliche Anpassung, Bedürfnisse, Erkenntnisse, Einsichten etc. automatisch gestellt werden. Der Mensch hat einen unglaublichen Überlebenstrieb und da kann eigentlich kommen was will, die Gesellschaft wird sich anpassen. Dabei gehen wir davon aus, dass es dazu schrittweise Veränderungen braucht, die von den Menschen im Herzen aufgenommen und auch verstanden werden, sonst bleiben nachhaltige Wirkungen aus.
Welche Rolle spielt die Architektur für die Gestaltung der Zukunft?
Michaela: Sie spielt eine grosse Rolle. Die weitsichtige Architektin oder der weitsichtige Architekt verbindet Mensch, Raum und Zeit. Mit Architektur wird somit unser Lebensraum gestaltet Wenn wir nachhaltige Architektur schaffen, dann schaffen wir auch nachhaltigen Lebensraum für die Zukunft. Allerdings muss dafür ein Umdenken in der Architektur stattfinden. Die Architekt:innen müssen sich stärker mit der Gesamtbetrachtung der Situation auseinandersetzen und auf die vorhandenen Bedürfnisse eingehen.
Muss Architektur sozialer werden? Wie könnte das aussehen?
Michaela: Architektur soll vor allem wieder bedürfnisgerechter werden und dadurch wird sie automatisch wieder sozialer. Es geht also darum, dass man alle Beteiligten an der Projektentwicklung miteinbezieht. Das sind Bauherrschaften, Nutzer:innen, Planer:innen, Spezialist:innen, Nachbar:innen, Bauleute, Behörden und andere. Mit diesem Informationsaustausch erreicht man auch eine viel höhere Akzeptanz des Gebäudes und gewinnt dadurch Mehrwert und Wertschöpfung. Auch wenn die Architektur in diesem Bereich schon viel dazugelernt hat, muss noch weiter dafür gesorgt werden, dass das Bedürfnis der Bauherrschaft ganz am Anfang im Zentrum steht und hinterfragt wird. Somit kann die Architektur dabei helfen, eine im Rahmen der gegebenen Auflagen und Möglichkeiten liegende Verwirklichung ihrer Ziele zu erreichen, wenn auch vielleicht auf einem ganz anderen und innovativeren Weg als zunächst gedacht.
Gibt es künftig Grenzen des Machbaren?
Christian: Das ist schwer zu sagen, aber wir sind auf alle Fälle der Meinung, dass die Vernunft im Bereich der Architektur viele Grenzen setzt, die man nun noch ernster nehmen muss als bisher. Dabei denken wir z. B. an Standorte für Grossprojekte, die einfach nicht nachhaltig sind, weil sie vielleicht einen schlechten Transportanschluss haben, durch Schattenlage ungeeignet sind für Photovoltaik etc. In solchen Fällen muss man mit der Bauherrschaft offen sprechen und sagen, wo die Grenzen des vernünftig Machbaren liegen und sie im Optimalfall dabei unterstützen, die Bedingungen herauszuarbeiten, die für eine nachhaltige Nutzung gegeben sein müssen. Die Architekt:innen müssen dabei wie oben schon gesagt eben auch gut und vertrauenswürdig beratend zur Seite stehen.
Wenn sich zirkuläres Bauen durchsetzt: Sind dann alle Häuser rund?
Michaela: Ja, im Sinne des Lebenszyklus. Zirkularität heisst Kreislauf und ein nachhaltiges Gebäude ist quasi ein Materiallager für die Zukunft. das heisst, wenn es die Lebenszeit erreicht hat, soll man die Materialien wieder verbauen und weiterverwenden können. Rund ist damit also nicht die äussere Form, aber ganz bestimmt die Materialstrombilanz!